40 Jahre Theater am Saumarkt – die Erfolgsgeschichte autonomer Kulturarbeit

Raffaela Rudigier, Zeitschrift Kultur, Februar 2017

Das Theater am Saumarkt in Feldkirch ist aus der Vorarlberger Kulturlandschaft nicht wegzudenken. Ob Konzerte, Theater, Kinderprogramme, Filme, Probenmöglichkeiten oder zur Erarbeitung anderer Projekte – das Theater am Saumarkt ist seit Jahrzehnten ein konstanter kultureller Nahversorger und stabiler Partner für Kulturschaffende. Zum 40 Jahre Jubiläum wird es heuer einige Besonderheiten geben. Raffaela Rudigier hat mit der Saumarkt-Geschäftsführerin Sabine Benzer gesprochen und dabei einen Blick zurück und nach vorne geworfen:

Feldkirch, 1977, es fehlt an einem Ort für Literatur und dramatische Kunst. Das äußerst erfolgreiche Kabarettensemble „Die Wühlmäuse“ leidet an permanenter Raumnot. Diese Umstände führen zur Gründung des Theaters am Saumarkt, am ehemaligen Platz des Schweinemarktes der Stadt. Hinter der Initiative standen etwa der damalige Kulturstadtrat Helmut Futscher und Persönlichkeiten wie Klaus Schöch, Ulrich Herburger und Fidel Schurig. Sabine Benzer: „Es ging schon damals darum einerseits Impulse zu setzen in Bereichen, die bisher im Kulturleben der Stadt noch nicht so sehr vertreten waren, und vor allem darum, Raum für Kulturschaffende zur Verfügung stellen zu können.“

Anfang der 1980er Jahre wurde das Gebäude von Architekt Erich Steinmayr umgebaut. Damit einher ging eine sehr schnelle Professionalisierung der Institution. Das Veranstaltungsprogramm und die Programmdichte wuchsen stark an.

In 40 Jahren hat sich viel getan im umtriebigen Saumarkt-Umfeld. Geschäftsführerin Sabine Benzer: „Wenn man sich das Saumarkt Archiv anschaut, kann man eigentlich nur darüber staunen, wie offen und interessiert die Gründer des Saumarkts damals schon dachten. Beispielsweise in der Frage der Migrationsgesellschaft. ZuwandererInnen sollte selbstverständlich Platz und Ressourcen für ihre kulturellen Äußerungen eingeräumt werden. Man wollte in den Anfängen (und natürlich auch später) nicht „für einen für allemal definierten Kulturbegriff eintreten, sondern Diskussion und Konfrontation“ fördern. Man merkt in vielen Belangen den 1970er Jahre Zeitgeist, die Aufbruchsstimmung. Es gibt natürlich auch die andere Seite, blinde Flecken (die wir aber sicher in manchen Bereichen heute auch haben) wie zum Beispiel, dass die Kulturarbeit hier lange Zeit fast ausschließlich männlich bestimmt war. Das hat zu so witzigen Dingen geführt, dass ein Schwerpunkt „Frauen in der Kunst“ damit argumentiert wurde, dass „es uns auch einmal darum ging, den künstlerischen Stellenwert der Frau zu beleuchten“. Das ist ziemlich lustig, oder?“

Der größte Erfolg des Theaters am Saumarkt sei die 40-jährig Kontinuität der Kultureinrichtung, sagt Sabine Benzer. „Eine Kulturinitiative muss den Kulturschaffenden eine verlässliche Partnerin sein. Das hört sich an wie der Werbeslogan einer Bank, aber es trifft sehr wohl auch auf den Kulturbetrieb zu. Für Vorarlberg ist der künstlerische Brain Drain eine Herausforderung und ich denke doch, dass der Saumarkt hier auch eine Aufgabe hat, die er versucht entsprechend zu erfüllen. Aber die Kontinuität gilt bei uns auch für die Form der Kulturarbeit - kollektive, basisdemokratische Strukturen, die 40 Jahre lang gehalten haben – das sehe ich absolut als Erfolg und hoffe, dass es diese Form der Kulturarbeit noch viele Jahr gibt. Jedenfalls ist es uns ein großes Anliegen, sie zu pflegen und zu verteidigen gegen alle Tendenzen, die es derzeit wieder gibt, der „Repräsentationskultur“ mehr Gewicht zu geben und damit das fruchtbare Gleichgewicht in diese Richtung zu verschieben - zuungunsten der Kultur von der Basis her.“

Neben der konstanten regionalen künstlerischen Zusammenarbeit haben auch große internationale Namen das Theater am Saumarkt mitgeprägt. Renommierte AutorInnen wie Sibylle Berg oder Paul Nizon, namhafte KulturtheorikerInnen, wie Klaus Theweleit, Jan und Aleida Assmann und Legenden wie Hans Wollschläger, Christina von Braun oder Helmut Qualtinger haben hier gastiert.

Das 40 Jahre Jubiläum ist nicht nur die Erfolgsgeschichte einer Institution, sondern generell die Erfolgsgeschichte von autonomer Kulturarbeit in Vorarlberg, sagt Sabine Benzer.  „Kulturarbeit, die unabhängig von den großen Kultureinrichtungen, Ressourcen zur Verfügung stellen kann für Veranstaltungen, Proben, Erarbeitung von Projekten. Und die das Ziel verfolgt, die Menschen in der Region für zeitgenössische Kunst und Kultur zu begeistern, sie zu aktivieren selbst Ideen und Projekte zu entwickeln und umzusetzen. Die autonome Kulturarbeit hat auch den Anspruch gesellschaftspolitisch zu sein, einen politischen Kulturbegriff zu vertreten, der die Auseinandersetzung mit Kunst nicht nur als Unterhaltung sieht sondern sich Impulse davon erwartet, auch was die Frage betrifft, „wie wir in Zukunft (zusammen-)leben wollen“ und wie wir die Gegenwart gemeinsam demokratisch und partizipativ gestalten.“

Doch keine Erfolgsgeschichte kommt ohne Rückschläge aus. Und die habe es auch beim Theater am Saumarkt gegeben: „In den 40 Jahren hat es auch immer wieder Krisen innerhalb des Vereins gegeben, Meinungsverschiedenheiten, die sich nicht haben bereinigen lassen und bis zu Austritten geführt haben. Das hat auch damit zu tun, dass die handelnden Personen immer sehr engagiert und umtriebig waren, einfach Persönlichkeiten. Und eine Herausforderung ist es tatsächlich auch, die Vereinsstruktur zu erhalten: Für ehrenamtliche Obleute ist das Theater am Saumarkt in seiner jetzigen „Größe“ doch mit erheblichem Aufwand verbunden, daher müssen wir uns wirklich glücklich schätzen, dass wir hier immer wieder engagierte Personen gefunden haben, die sich dem Saumarkt so verantwortlich fühlen, dass sie sich diese viele Arbeit antun.  Derzeit etwa Peter Bilger, der seit 14 Jahren Obmann des Theaters am Saumarkt ist und unserer Kulturinitiative so viel Nachhaltigkeit und Kontinuität geschenkt hat.“

Der Saumarkt versteht sich heute laut Homepage „als wichtiger regionaler Kulturvermittler, der immer wieder aktuelle kulturelle und künstlerische Strömungen aufgreift.“ Derzeit gibt es neun Programmgruppen mit Schwerpunkten in den Bereichen Literatur, Philosophie, Kinderkultur, Film und Konzerte. Der Saumarkt sieht sich „als Kooperationspartner für Vorarlberger Kulturschaffende und Kultureinrichtungen“. Er steht für partizipative Formen von Kulturarbeit und damit kulturinteressierten VorarlbergerInnen zur Verfügung.

Das heurige Jubiläum wird gemeinsamen mit Wegbegleitern die ebenfalls Jubiläen haben, gefeiert: z.B. mit Markus Linder (20 Jahre Bühnenjubiläum), Martin Lindenthal (50. Geburtstag), Alex Sutter, Stefan Libardi, Gaul mit seinen Kinderliedern oder die Blue Monday Blues Band (30 Jahre alt).
Außerdem stehen zwei Ausstellungen auf dem Programm, die sich mit dem Saumarkt als Kulturinitiative beschäftigen: Im Frühjahr zeigen Hanno Metzler, Guntram König und Ingo Meraner Arbeiten, sowie im Herbst Maria Anwander und Ruben Aubrecht.

Darüber hinaus wird es einen speziellen Literaturwettbewerb geben: Minidramen zum Thema „Feste, die daneben gehen“. Sabine Benzer: „Das finden wir lustig. Wir tragen uns schon länger mit der Idee, dramatische Texte auszuschreiben, kurze „Dramen“, Minidramen, die dann von einer Jury ausgewählt und, so wäre der Plan, von SchauspielerInnen auf der Saumarkt Bühne umgesetzt werden. Zum Jubliäum wollen wir dieses Thema noch zuspitzen und die Feierlichkeiten ein bisschen ironisch abhandeln, indem wir den Wettbewerb zum Thema „Feste, die daneben gehen“ ausschreiben. Wir sind sehr neugierig darauf, was da für Ideen und Texte und Stücke zurückkommen und in welcher Form sie sich auf das Thema beziehen.“ Außerdem wird das Jubiläumsjahr von zwei „Saumarkt SchreiberInnen“ literarisch begleitet.

Raffaela Rudigier, Zeitschrift Kultur, Februar 2017