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Elisabeth Amann: Theater am Saumarkt 1977 – 2017, Persönliche Erinnerungen

Freitag, 15. September 2017 - 19:34


 

 

Als ich 1955 von Salzburg (Pongau) nach Feldkirch kam und entgegen meinem Plan, bald wieder zurückzukehren, geblieben bin, fühlte ich mich als einfache Frau mit südbayrischer Mundart, mit dieser zur alemannischen auffallend anderen Sprachmelodie, ausgegrenzt, keiner Gruppe zugehörig. Als junge Frau und Mutter einer Familie, die schnell größer wurde (sechs Geburten in zehn Jahren), interessierten mich trotz der vielen Arbeit in meinem einfachen Haushalt alle Bücher, die ich bekommen konnte,  aber auch das Theater.

Damals gab es keine Wegwerfwindeln. Man musste die Stoffwindeln von Hand waschen, auf einem Wäschehobel, zum Trocknen an die Leine hängen,  wieder abnehmen und zusammenlegen. Trotzdem fand ich in meinen 16-18 Stunden- Tagen immer wieder Momente, die ich mir zum Lesen oder zum Hören von Literatursendungen im Radio „stahl“. Einmal geschah mir, dass vor einer Lesung im Palais Liechtenstein beim Anstehen um eine Eintrittskarte die Dame an der Kasse fragte, ob ich schon wisse, dass hier heute eine Lesung stattfände. Ich ließ es mir nicht verdrießen und antwortete, dass ich gerade aus diesem Grund zu Fuß den Weg von drei Kilometern von Fellengatter herunter in ‚die Stadt‘ gekommen sei.  


Ich erinnere mich an das Theaterstück von Eugen Andergassen  Der Verrat,  das Anfang der 1960er Jahre in der Arbeiterkammer aufgeführt wurde. Es handelte von der Schlacht um Frastanz am „Sturnahügel“ bei Amerlügen. Ein Verräter, Ulli Mariß, soll während der Bauernkriege Schweizer Landsknechte  von Tisis über den Älpelehang nach Amerlügen geführt haben. Von hier konnten sie überraschend für das Heer, das um Frastanz lagerte, einfallen. Ein Hirtebub, der das Geschehen beobachtet hatte, soll verzweifelt versucht haben, seine Leute zu warnen. Er habe anhaltend auf seinem Horn geblasen,   bis er tot umgefallen sei. Er wird im Frastanzer Wappen geführt und als Held verehrt. Ulli Mariß, der seine Landsleute verraten hatte, soll für   seine schändliche Tat von den Schweizern - statt mit Geld entlohnt -  hingerichtet worden sein, so erzählt die Legende. Dass ich den Dichter Andergassen so nah erleben konnte, empfand ich als Privileg, wohl, weil ich ihn in meiner Verehrung in einem Elfenbeinturm sah. Elvira Naphegyi spielte in Andergassens Stück eine Hauptrolle. Viele Jahre später wurden wir miteinander bekannt. Sie war eine Charakterdarstellerin mit großer Ausstrahlung.  
 

Unter der Regie Heiner Linders aus Rankweil – er war einer der Mitbegründer des Theaters am Saumarkt und Gründer der Kabarettgruppe „die Wühlmäuse“, dem ersten politischen Kabarett Vorarlbergs -  war das Theater monatelang ausgebucht, weil das Publikum sich köstlich an den zwar politisch gepfefferten aber doch geschliffenen Texten der „Wühlmäuse“ ergötzte und weil die Akteure  dem Publikum aus der Seele sprachen. 

 
Edgar Schmidt moderierte an einem Abend in der damaligen „Tonhalle“ Gedichte von Christine Lavant, die kurz zuvor den Staatspreis für Literatur bekommen hatte. Zum gelesenen Wort wurden Bilder von düsteren Landschaften auf großer Leinwand gezeigt und dazu passende Musik  gespielt.  Das war viel, denn die Gedichte  der Lavant  beanspruchten mit den ungewohnten Wortschöpfungen die ganze Aufmerksamkeit der Gäste,  besonders wenn man sie zum ersten Mal hörte.

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